24-Jährige entdeckt, dass sie kein Kleinhirn hat

Das Kleinhirn ist der Teil des Gehirns, der im hinteren Bereich der Schädelhöhle liegt, genau unterhalb des Gehirns. Seinen Namen verdankt es seiner Größe und Struktur. Dabei ist es nicht weniger wichtig als das Gehirn selbst. Denn es enthält eine Vielzahl von Neuronen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung der Motorik. Es ermöglicht unter anderem die Koordination und Synchronisation von Gesten, präzise Bewegungen, das Halten des Gleichgewichts und der Körperhaltung sowie die Lautbildung.
Diese Anomalie wurde bei der jungen Frau mit 24 Jahren festgestellt. Aufgrund der Tatsache, dass kein Hinweis auf das Nervenorgan gefunden wurde, gehen die Ärzte davon aus, dass die Anomalie angeboren ist und sich das Kleinhirn nie entwickelt hat. Stattdessen hat sich ein Hohlraum mit Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit gebildet. Als Folge musste sich das Nervensystem an diese Situation anpassen. Hier kommt das Phänomen der Plastizität des Gehirns zum Tragen. Die Wissenschaftler sind der Ansicht, dass die Großhirnrinde das Kleinhirn ersetzt hat, damit die junge Frau gehen und sprechen kann, wenn auch nicht perfekt. Tatsächlich hat ihre Mutter bereits in der Kindheit festgestellt, dass sie erst spät aufrecht stehen (4 Jahre), gehen (7 Jahre) und sprechen (erste verständliche zusammenhängende Worte mit 6 Jahren) konnte. Die junge Frau hat schon immer Probleme mit dem Gehen und Sprechen.
Obwohl die Wissenschaftler einige Anhaltspunkte haben, sind noch weitere Untersuchungen erforderlich, um herauszufinden, wie genau es diese Patientin geschafft hat, ohne Kleinhirn gehen und sprechen zu lernen.
Quelle: Yu F, Jiang QJ, Sun XY, Zhang RW. A new case of complete primary cerebellar agenesis: clinical and imaging findings in a living patient. Brain. 2014 Aug 22. doi: 10.1093/brain/awu239.