Erklärungen für optische Täuschungen

Das Team von Bevil Conway, einem Dozenten und Forscher am Wellesley College in den USA, hat die Unterschiede bei der Farbwahrnehmung reproduziert und einige Erklärungsansätze gefunden. Die Ergebnisse und Analysen wurden in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht. Zunächst einmal ist das berühmte Kleid tatsächlich blau und schwarz, was der Gruppe, die es weiß und goldfarben gesehen hat, gar nicht gefallen dürfte. Doch jeder, der es in einem Schaufenster oder am eigenen Körper sehen würde, würde eindeutig die Farben Blau und Schwarz erkennen. Wenn Sie das Foto jedoch gerade in einer anderen Farbe sehen, dann liegt das nicht an einem neurologischen oder visuellen Problem. Auslöser für die Polemik um das Foto war vielmehr die Art und Weise, wie es aufgenommen wurde, weil die Pixel braun und blau sind.
Die Wissenschaftler rekrutierten für ihre Untersuchungen 1 400 Freiwillige, von denen 300 das Foto noch nicht gesehen hatten. Sie haben sie ganz einfach gefragt, welche Farben sie sehen, wenn sie das Foto anschauen, ohne sich auf zwei Kategorien zu beschränken, was die Entscheidung hätte forcieren können. Erstaunlicherweise stellten sie fest, dass sich die Teilnehmer, genau wie in den sozialen Netzwerken, in zwei große Gruppen unterteilen ließen: jene, die Blau und Schwarz sahen, und jene, die Weiß und Gold sahen. Es gab jedoch noch eine dritte, wenn auch kleinere, Gruppe mit Studienteilnehmern, die braune und blaue Streifen sahen. Interessant ist außerdem, dass diese Gruppen innerhalb der Studienpopulation nicht homogen verteilt waren, Alter und Geschlecht schienen einen Einfluss auf die Farbwahrnehmung zu haben. Statistisch gesehen nahmen ältere Menschen und Frauen das Kleid häufiger weiß und goldfarben wahr.
Für Conway lassen sich diese Wahrnehmungsunterschiede durch das Licht erklären, an das unser Gehirn gewöhnt ist und das es folglich in seiner Umgebung erwartet. Er glaubt, dass Menschen, die natürlichem Licht ausgesetzt sind, besser in der Lage sind, das Kleid weiß und goldfarben zu sehen, als jene, die an künstliches Licht gewöhnt sind und das Kleid häufiger blau und schwarz wahrnehmen. Die letzte Gruppe, die das Kleid braun und blau sah, situiert sich irgendwo zwischen den zwei anderen Gruppen. Ihr Gehirn war an beide Lichtarten gewöhnt.
„Wenn man berücksichtigt, wie das Licht durch die äußeren Lichtverhältnisse kontaminiert wird, beispielsweise durch blauen Himmel oder durch eine Glühlampe, erhält man einen möglichen Erklärungsansatz für die Entstehung dieser Unterscheide. Das visuelle System muss entscheiden, ob es die niedrigen Wellenlängen ignoriert und somit die blauesten des Lichts oder die größeren und röteren Wellenlängen. Diese Entscheidung kann unsere Wahrnehmung des Kleides verändern“, bestätigt Conway.
Quelle: Lafer-Sousa R., Hermann K.L., Conway B.R. Striking individual differences in color perception uncovered by ‘the dress’ photograph. Curr Biol. 2015 May 14. pii: S0960-9822(15)00535-7. doi: 10.1016/j.cub.2015.04.053. [Epub ahead of print]