Lesen von Romanen für das Gehirn anregender als bisher gedacht

Der Ausdruck "sich in jemanden hineinversetzen", der nicht selten im Zusammenhang mit dem Lesen von Romanen fällt, ist möglicherweise wörtlicher zu nehmen, als bisher gedacht. Laut einer Studie unter der Leitung von Professor Berns hält die durch das Lesen hervorgerufene Aktivierung des Gehirns mehrere Tage an, auch wenn man schon längst mit dem Lesen aufgehört hat.
Um dieses Phänomen zu untersuchen, wurde bei zwölf Studenten über einen Zeitraum von 19 Tagen jeden Morgen eine Computertomografie (CT) durchgeführt. Nach einem Kontrollzeitraum von fünf Tagen wurden die Studenten aufgefordert, an den nächsten neun Abenden jeweils 30 Seiten des Romans "Pompeji" von Robert Harris zu lesen. Die an den darauffolgenden Tagen morgens durchgeführten CT-Scans zeigten eine Aktivierung des linken temporalen Cortex und eine Aktivierung der Zentralfurche. Die Zentralfurche ist der Bereich des primären sensomotorischen Cortex, der für die Erzeugung körperlicher Empfindungen zuständig ist. Wenn Sie sich beispielsweise vorstellen zu rennen, werden dieselben Neuronen aktiviert, die auch beim tatsächlichen Bewegungsablauf des Rennens aktiviert werden, obwohl der Körper dabei vollständig bewegungslos bleibt. Diese Auswirkungen hielten bis zur nächsten Lektüre am Abend an. Erstaunlicherweise konnte dieser Effekt auch noch an den letzten fünf Tagen des Experiments nachgewiesen werden, obwohl die Studenten zu diesem Zeitpunkt abends nicht mehr gelesen hatten.
Da der für das Experiment verwendete Roman nicht von den Probanden ausgewählt wurde, kommt Professor Berns zu der Schlussfolgerung, dass das Lesen von Romanen, für die wir uns begeistern, signifikante und dauerhafte Auswirkungen auf unser Gehirn haben könnte.
Quelle: Berns et al. (2013). Short- and Long-Term Effects of a Novel on Connectivity in the Brain. Brain Connectivity, 2013, 3(6): 590-600, doi:10.1089/brain.2013.0166.