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Wenn sich rechte und linke Hand nicht einigen können

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen am Steuer Ihres Autos und möchten links abbiegen, doch Ihre rechte Hand hindert Sie daran und zwingt Sie dazu, rechts abzubiegen! Diese und andere unangenehme Erfahrungen musste ein Patient machen, über dessen atypische Geschichte in der Online-Fachzeitschrift Frontiers in Human Neuroscience berichtet wurde. Der Mann, der von einem Ärzteteam in Marseille betreut wird, leidet an einer sogenannten diagnostischen Dyspraxie, eine Erkrankung, bei der die Hände des Betroffenen in Konflikt miteinander geraten. Doch inwiefern handelt es sich bei diesem Patienten um einen besonderen Fall?

Die sogenannten „diagnostischen“ Verhaltensweisen werden überwiegend bei Epilepsiepatienten beobachtet, denen im Rahmen einer neurochirurgischen Behandlung der Hirnbalken (Corpus callosum) ganz oder teilweise entfernt wurde. Dieser Eingriff wird vorgenommen, um den Austausch der epileptischen Aktivität zwischen der linken und rechten Hirnhälfte zu unterbinden. Der Hirnbalken ist eine Art Brücke, die die beiden Hirnhälften miteinander verbindet und den Informationsaustausch zwischen den Hirnhälften ermöglicht. Bei dem fraglichen Patienten wurde dieser Eingriff jedoch niemals vorgenommen. Und dennoch ist der Balken bei diesem Patienten nicht vorhanden!

Laut Autoren der Studie handelt es sich um den ersten Patienten mit einer diagnostischen Dyspraxie, bei dem eine Corpus-callosum-Agenesie (Agenesie bezeichnet das vollständige Fehlen eines Organs aufgrund einer Nichtanlage während der Embryonalentwicklung) vorliegt. Das Fehlen der Verbindung zwischen den beiden Hirnhälften muss nicht zwingend mit Symptomen einhergehen, da das Gehirn in der Lage ist, die fehlende Verbindung mithilfe anderer „Brücken“ zwischen den Hirnhälften, den sogenannten Kommissuren, zu kompensieren. In diesem Fall zeigen die Betroffenen eine gute kognitive Leistung und eine normale Anpassungsfähigkeit auf sozialer, familiärer sowie beruflicher Ebene. Der hier beschriebene Patient wurde seit 2011 von Prof. Olivier Felician und seinem Team, in Zusammenarbeit mit Neurologen der Klinik Henri-Gastaut (Marseille) sowie Wissenschaftlern der französischen Forschungsinstitute CNRS des Centre de Résonance Magnétique Biologique et Médicale (CRMBM) und Inserm des Institut de Neurosciences des Systèmes (Universität Aix Marseille), betreut.

Der bei der Stadt als Gärtner angestellte Patient litt seit über 20 Jahren an einer Temporallappenepilepsie, die jedoch mithilfe antiepileptischer Medikamente relativ gut unter Kontrolle gebracht werden konnte. Im März 2012, im Anschluss an eine HNO-Infektion, stellten sich jedoch wiederholt epileptische Anfälle ein, die zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit des Informationstransfers zwischen den beiden Gehirnhälften führten. Einen Monat später waren die Anfälle verschwunden, jedoch trat bei dem Patienten das Syndrom der diagnostischen Dyspraxie der rechten Hand auf, das zu einer ganzen Reihe störender und sogar gefährlicher Verhaltensweisen führte. So zum Beispiel bei einem Spaziergang, als sich die rechte Hand des Gärtners plötzlich an einen Pfosten klammert und den Mann für mehrere Minuten dazu zwingt, sich um den Pfosten zu drehen. Ein anderes Mal möchte sich der Mann mit der linken Hand die Hose hochziehen, während die rechte Hand gleichzeitig versucht, die Hose wieder herunterzuziehen. Wieder ein anderes Mal zieht die rechte Hand plötzlich seinen Geldbeutel aus der hinteren Hosentasche, woraufhin die rechte und die linke Hand damit beginnen, sich darum zu „streiten“, wer den Geldbeutel wieder aufheben darf. Diese unvorhersehbaren und unkontrollierbaren Symptome hielten zwei Jahre lang an.

In dieser Zeit führte das Ärzteteam in Marseille mehrere Gehirnuntersuchungen mithilfe diagnostischer Bildgebungsverfahren durch, um die Aktivität der neuronalen Netze des Patienten mit der von 16 gesunden Personen zu vergleichen. Die Ergebnisse zeigten eine Fehlfunktion der Verbindungen zwischen den beiden Hirnhälften, insbesondere im sogenannten Salience-Netzwerk, das für die Selektion relevanter Informationen aus der internen und externen Umgebung verantwortlich ist, wenn es darum geht, eine zielgerichtet Handlung auszuführen. Aufgrund seiner Unfähigkeit, diese Selektion vorzunehmen, hatte der Patient große Schwierigkeiten, bestimmte Greifbewegungen zu unterbinden, sodass seine rechte Hand immer wieder unerwartet und unkontrollierbar nach Objekten griff.

Glücklicherweise wurden die Symptome im September 2013 immer seltener und verschwanden in den letzten sechs Monaten vor der Abschlussuntersuchung im September 2014 gänzlich. Die linke und die rechte Hand des Patienten hatten letztendlich Frieden geschlossen.
Quelle: Ridley B, Beltramone M, Wirsich J, Le Troter A, Tramoni E, Aubert S, Achard S, Ranjeva JP, Guye M, Felician O. Alien Hand, Restless Brain: Salience Network and Interhemispheric Connectivity Disruption Parallel Emergence and Extinction of Diagonistic Dyspraxia, in Frontiers in Human Neuroscience, Juni 2016.

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